Die heimliche Zertifizierung des LK Starnberg am 5. 8. 2021 zum fahrradfreundlichen Landkreis durch die AGFK ohne Einladung der Verbände
9. September 2021
Der ADFC Starnberg hätte bei der Rezertifizierung des Kreises als fahrradfreundlicher Landkreis herausragende Projekte aus den Bereichen Infrastruktur, Information, Kommunikation und Service für den Radverkehr als gleichberechtigte Verkehrsart im Landkreis (LK im weitern Text) erwartet (Radverkehrshandbuch, Bay. Staatsministerium des Innern 2011).
Dazu ist eine systematische Behandlung der Anforderungen dieser Verkehrsart (durchgängiges Netz, Sicherheit, Verläßlichkeit in Wegweisung, Pflege, Qualität …) durch die Verwaltung erforderlich, wie dies heute schon für den ÖPNV oder den Kraftverkehr erfolgt.
Die Verbesserung der Infrastruktur, also Radwege und Kreuzungsumbauten, um Angststrecken für Radler abzubauen sind langwierig und Grundstückskäufe manchmal schwierig, aber in Wörthsee wurde der Anschluss an den Radweg von Mauern nach Etterschlag (Fertigstellung im Bereich des LK FFB 2020) noch nicht mal geplant, geschweige die Grundstückseigentümer informiert. Seit 2008 wird die Fortsetzung des Radwegs von Weßling-Hochstadt nach Unering versprochen. Nur Neuried-Gauting wurde (vom LK München) zur Baureife gebracht. Bei allen Straßenbaumaßnahmen werden in unserem Landkreis die Leistungsfähigkeit für den Kfz-Verkehr priorisiert und die Belange für den Langsamverkehr (Fuß- und Rad) hintenangestellt. An den seit 2013 gebauten Westumfahrungen im Kreis wurden in den vergangenen Jahren Radwege- und Fußwegebeziehungen gekappt, die Fahrgeschwindigkeit für Kfz erhöht und so neue Lücken und Angsträume für den Radverkehr geschaffen. Dies ist mit einigen Fahrbahnmarkierungen nicht aufzuwiegen.
Anton Maier: „Die Priorisierung des Kfz-Verkehrs bei allen Straßenbaumaßnahmen verhindert gute Lösungen für den Rad- und Fußverkehr und steht damit einem Fahrradfreundlichen Landkreis entgegen. Dies ist der Hauptkritikpunkt an der Rezertifizierung!“
Information der Bürgerschaft über die Vorteile des Radfahrens, die Netze, die Serviceangebote und die Veränderung der Rechtslage könnte ein Pluspunkt des Kreises sein. Die Vorteile des Radfahrens werden durch die Umweltberatung kommuniziert, aber das Landratsamt wirbt nach wie vor mit der guten Autobahnanbindung als Arbeitgeber, die Radverkehrsbelange sind im Internetauftritt des Kreises gut gereift. Die Information über die Netze (Kreisradwanderwege und Alltagsradroutennetz) werden mit äußerst geringem Nachdruck aktualisiert. Im ADFC wurden 2021 in Summe 500 unerledigte Verbesserungsvorschläge an der Beschilderung der Radrouten gezählt, davon ca 100 aus dem Jahr 2012! Eine Informationskampagne über den 2020 in der StVO neu eingeführten Mindestabstand beim Überholen von Zweirädern von 1,5 m innerorts und 2 m außerorts wurde von der Verwaltung und den Kreisgremien abgelehnt. Zu enge Überholabstände sind der größte Angstfaktor der Radler.
Die Kommunikation zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern bei der Entwicklung von Konzepten verlief im Zeitraum seit der ersten Zertifizierung enttäuschend. Wenn bei den Maßnahmenvorschlägen aus dem Alltagsradroutenkonzept von 2016 Widerstände bei einzelnen Gemeinden auftraten, wurden diese Maßnahmenvorschläge einfach nicht weiterverfolgt. So sind z. B. wichtige Verbindungen bis heute nicht verbessert worden, obwohl nur einfache Baumaßnahmen erforderlich sind: Steinebach-Weßling, Hanfeld-Hausen und Unterbrunn-Gilching. Dazu passt die spätere Aussage von LR Stefan Frey (Fahrraddemo 2020): „Wir bauen keine Betonpisten für Radler in die Landschaft“. Die Studie zum Radschnellweg Starnberg-Planegg (-München) könnte eigentlich ein großer Auftakt zur Verkehrswende sein.
Beim Service stehen Angebote verschiedener Dienstleister, die das Radfahren bequemer machen im Fokus. Der Aufbau des MVG-Rad ist ein guter künftiger Baustein in der Mobilitätskette. Die Angebote, die von der GWT Starnberg für unsere Gäste bereitgestellt werden, werden anerkannt. Nur das Landratsamt leistet sich hier eine große Schwachstelle, wenn Anfragen an die Radverkehrsbeauftragte unbeantwortet bleiben, der Mängelmelder nicht funktioniert und beispielsweise bei Verkehrsanordnungen zu Baustellenumleitungen der Radverkehr regelmäßig „vergessen“ wird. Dieser letzte Punkt wurde für die erste Zertifizierung zum AGFKLandkreis 2013 am Bau des Maxhof-Kreisels als Muster für Radverkehrsführung an Baustellen vorgestellt.
Anton Maier, ADFC Kreisvorsitzender